Anfang April erreichte uns eine Nachricht, die keine grossen Schlagzeilen machte, die aber wichtig ist: Die Eidgenössische Technische Hochschule ETH will 40 Millionen Franken in den Ausbau des Swiss National Supercomputing Centre investieren. Bis Ende Jahr wird die Hardware des Supercomputers namens «Piz Daint» erneuert und so die Rechenleistung mindestens verdoppelt. Diese Leistungssteigerung ist laut der ETH unablässig für die HD-Simulation und die Datenwissenschaft (etwa für die Datenanalyse der Experimente am Genfer Cern).
Auf der Alpennordseite wissen nicht alle, dass das nationale Hochleistungsrechenzentrum der Schweiz eigentlich Centro Svizzero di Calcolo Scientifico (CSCS) heisst und sich im Tessin befindet. Es gehört zu den Orten für Spitzenforschung im Kanton italienischer Sprache und Kultur. Das Kompetenz- und Exzellenzzentrum feiert dieses Jahr sein 25-Jahre-Jubiläum. Das Tessin konnte 1991 – nicht ohne Mühe – den Standortwettbewerb für sich entscheiden. Zuerst befand sich das CSCS in Manno bei Lugano, seit dem 31. August 2012 ist es in einem neuen Gebäude beim Luganer Fussballstadion Cornaredo untergebracht. Mit der Gründung des CSCS ist ausserdem eine Episode verbunden, die laut vielen Beobachtern zur Entstehung der Lega dei Ticinesi geführt hat. Der verstorbene Präsident der Lega, Giuliano Bignasca, hatte sich noch vor der Gründung seiner Partei darum bemüht, dass das Rechenzentrum in einer seiner Liegenschaften in Bioggio angesiedelt werde. Die Wahl fiel dann allerdings auf den Unternehmer Silvio Tarchini und dessen Gebäude in Manno. Bignasca warf darauf den historischen Parteien vor, sie hätten sich gegen ihn verschworen, und gründete die Lega. Realität oder Fiktion? Jedem die eigene Wahrheit.
Abgesehen von den politischen Folgen in unserem oft streitsüchtigen Kanton, bedeutete die Ansiedlung des Rechenzentrums in Manno vor allem der erste Schritt auf dem langen Weg hin zu einer Universität der italienischen Schweiz, für deren Entstehung die Weitsichtigkeit des verstorbenen freisinnigen Staatsrats Giuseppe Buffi entscheidend war. Die Universität wurde fünf Jahre später gegründet, im Jahr 1996. Im laufenden 2016 feiert das CSCS sein 25-jähriges Bestehen, die Universität ihr 20-jähriges.
Das ist das Tessin, das sich nicht einigelt, sondern in die Zukunft schaut. Das Tessin, das sich öffnet und sich klug und konstruktiv mit den anderen Schweizer Regionen austauscht. Dieses Tessin hat im europäischen Wettbewerb keine Komplexe. Es macht keine Schlagzeilen, aber es ist eine sehr bedeutende Realität.

Marina Masoni / Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 17 aprile 2016

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Pubblicato il: 22/04/2016