Wenn es darum geht, eine neue Steuer einzuführen, ist das Tessin äusserst kreativ. Der jüngste Streich ist die sogenannte Parkplatzgebühr, die in den Medien hohe Wellen geschlagen hat. Am 14. Dezember stimmte ihr der Grosse Rat mit überwältigendem Mehr zu (64 Ja gegen 6 Nein bei 13 Enthaltungen). Diese gemäss Kantonsregierung zweckgebundene Sondersteuer wollte Staatsrat Claudio Zali von der Lega dei Ticinesi, der bei den Wahlen im April am meisten Stimmen erhalten hatte, unbedingt durchsetzen. Sie ist ein Wendepunkt in der Politik der Lega, die bisher stets gegen die Einführung neuer Gebühren war.
Der Weg für diese neue Steuer wurde bereits 1994 geebnet, als der Grosse Rat sie im Gesetz über den öffentlichen Verkehr im Grundsatz festschrieb. Mit ihr hätte die Anbindung der grossen Einkaufszentren an das öffentliche Verkehrsnetz finanziert werden sollen. Es war eine eigentliche Kausalabgabe, lästig zwar, aber präzise umschrieben. Daraufhin geschah nichts, obwohl die Verkehrspolitik stets ins Ressort der Lega dei Ticinesi fiel. Erst jetzt wurde der Grundsatz umgewandelt und dabei gleich auch ausgeweitet: Was der Grosse Rat im Dezember genehmigt hat, ist eine Besteuerung der Parkplätze aller Unternehmen mit mehr als 50 Stellplätzen für Fahrzeuge. Sie geht zulasten der Parkplatzeigentümer. Der Tarif liegt zwischen 1 und 3 Franken 50 pro Tag für jeden Parkplatz. Ein mittleres Unternehmen muss also damit rechnen, jährlich bis zu 100 000 Franken oder mehr zahlen zu müssen, was den Kosten von mindestens einem Arbeitsplatz entspricht.
Mit diesen Einnahmen soll der öffentliche Verkehr finanziert werden. Im «Corriere del Ticino» wurde diese Gebühr als eine «als Steuer verkleidete Busse» bezeichnet. Bestraft werde, wer mit dem Auto zum Einkaufen oder zur Arbeit fahre. Genau so ist es. Denn diese Steuer trägt der Realität im Tessin nicht Rechnung: Der öffentliche Verkehr funktioniert nur innerhalb der grossen Agglomerationen, ausserhalb davon gibt es im – geografisch komplizierten – Tessin keinen öffentlichen Verkehr, der diesen Namen verdient, insbesondere was den Fahrplan anbelangt (von den Billettpreisen gar nicht zu sprechen). Für viele Tessinerinnen und Tessiner ist das Auto keine Option, sondern ein Muss. Die steuerliche Sanktion verschweigt auch die Tatsache, dass sich dank dem technischen Fortschritt der vergangenen Jahre die Luftqualität im Tessin trotz Verkehrszunahme deutlich gebessert hat. Die Steuer ist ein weiterer der zahlreichen Rückschritte auf dem Weg zu Freiheit und zur Wahrung des Eigentums.

Marina Masoni, Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 27.12.2015

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Pubblicato il: 01/01/2016