Einmal mehr versucht das Tessin, die Spielregeln für die Ladenöffnungszeiten anzupassen. In einer Woche werden wir wissen, ob dieser neue Anlauf Erfolg hatte, wenigstens politisch. Das Volk stimmt über ein neues Gesetz ab, das vom Parlament am 23. März des vergangenen Jahres beschlossen wurde.
Grob zusammengefasst, können die Läden gemäss dem Gesetz montags bis freitags von 6 bis 19 Uhr geöffnet bleiben, am Donnerstag bis 21 Uhr, am Samstag bis 18 Uhr 30. Im Wesentlichen werden die geltenden Öffnungszeiten um eine halbe Stunde verlängert. Ausserdem können die Läden an nicht als Sonntage geltenden Feiertagen und an drei Sonntagen im Jahr offen bleiben (zwei davon vor Weihnachten, bereits heute eine feste Gewohnheit im Tessin). Ohne auf Details einzugehen: Im Dschungel der Ausnahmeregelungen wird so etwas Ordnung geschaffen. Die Reform ist moderat. Dennoch wurde das Referendum ergriffen.
Die Gewerkschaften und die SP brachten 9594 Unterschriften zusammen, 7000 hätten gereicht. Wie schon in früheren Fällen könnte eine kuriose Allianz die Reform an der Urne zu Fall bringen: Auch viele kleinere Detailhändler sind gegen die Lockerung. Jüngst erschienen in den Tageszeitungen ganzseitige Inserate mit den Unterschriften Dutzender kleiner Geschäftsinhaber, die zu einem Nein aufriefen. Die Gewerkschaften und die Linke befürchten, dass die Reform den Weg für echte Liberalisierungen freimacht. Die kleinen Detailhändler befürchten, dass die Konkurrenz durch die Grossen noch drückender wird.
Damit aber nicht genug. Es gibt auch eine schwerwiegende juristische Unbekannte. Der Grosse Rat fügte nämlich eine Klausel ein, wonach das Gesetz nur in Kraft treten kann, wenn ein Gesamtarbeitsvertrag unterschrieben und von der Kantonsregierung als allgemeinverbindlich erklärt wird. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts könnte dies gegen das Prinzip verstossen, dass Regelungen zum Arbeitnehmerschutz ausschliesslich Sache des Bundes sind. Die Kantone dürfen geltende Normen weder verschlechtern noch verbessern.
Das Tessin braucht jedoch schlankere und modernere Gesetze für die Geschäfte, denn die Konkurrenz aus Italien ist enorm, sowohl beim Preis (hier kann das Tessin kaum etwas tun) als auch bei den Öffnungszeiten (hier kann es hingegen viel tun). Es gibt Kantone, die nicht an der Grenze liegen und die offener sind als das Tessin. Der Detailhandel hat es schwer, der Umsatz stagniert. Die vorgeschlagene Reform könnte helfen. Natürlich ist dies nur ein kleiner Schritt, aber immerhin in die richtige Richtung.
Marina Masoni / Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 21.02.2016
Pubblicato il: 26/02/2016