Das Tessin gehört zu den Kantonen mit der höchsten Fahrzeugdichte. Oft wird mit dem Finger auf die Tessiner gezeigt, und man wirft ihnen mangelnde Sensibilität für die Probleme des motorisierten Verkehrs und für die Umweltbelastung durch die vielen Motorfahrzeuge vor. Nun scheint es aber, dass dieses Klischee relativiert, wenn nicht gar eingemottet werden muss. Die jüngste Entwicklung im Kanton Tessin zeigt eine Trendwende.
Das kantonale Verkehrsamt hat im Februar seine Statistik veröffentlicht, die eine interessante Entwicklung zeigt: Die Anzahl der Personenfahrzeuge ist in den vergangenen fünf Jahren gestiegen. Gab es 2011 im Tessin 206 868 Autos, so waren es Anfang 2016 224 322 Autos oder 8,4 Prozent mehr. Trotzdem sind die Einnahmen aus der Fahrzeugsteuer rückläufig. Warum?
Seit 2014 wird die Steuer auch aufgrund der Umweltbelastung der Fahrzeuge berechnet, vorab der CO2-Emissionen (Ökosteuer). Es gibt zwar mehr Autos, aber diese belasten die Umwelt weniger. Deshalb ist die durchschnittliche Fahrzeugsteuer pro Auto, nachdem sie zwischen 2011 und 2013 von 444 auf 469 Franken angestiegen ist, danach wieder gefallen – 2014 auf 464 Franken, ein Jahr später auf 463 Franken und dieses Jahr auf 451 Franken. Auch der Gesamtbetrag für 2016 ist voraussichtlich am Sinken, von 102,3 auf 101,2 Millionen Franken. Das Verkehrsamt kommentierte den Rückgang so: «Dies beweist, dass die kantonale Verkehrspolitik (. . .) die Umwandlung des Tessiner Fahrzeugparks und den Kauf von immer weniger schädlichen Fahrzeugen wirksam vorantreiben konnte.»
Über die Zahlen hinaus können wir zwei Dinge feststellen: a) Dank dem technischen Fortschritt sind steigende Mobilität und eine Verbesserung der Umweltbedingungen kompatibel. Die Zahlen zur Luftqualität im Tessin bestätigen dies: Die Konzentration von Schadstoffen in der Luft sinkt. b) Es ist nicht erforderlich, die Bewegungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger einzuschränken. Eine nachhaltige Entwicklung der Mobilität kann auch durch Anreize erreicht werden, ohne Verbote, ganz im Sinne einer liberalen Gesellschaft. Die Panikmache der Umweltschützer, ideologische Voraussetzung für eine Verbotsgesellschaft, wird von der Wirklichkeit dementiert. Das Messbare beweist, dass unsere Umwelt besser und nicht etwa schlechter wird. Das zeigt sich nun ausgerechnet in einer Gemeinschaft wie jener des Tessins, die als undiszipliniert und unsensibel für Umweltbelange gilt. Dieses Klischee ist veraltet. Es gilt vielmehr: I Ticinesi son bravi automobilisti.

Marina Masoni / Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 6 marzo 2016

Pubblicato il: 11/03/2016