Das Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz, die Radiotelevisione svizzera di lingua italiana (RSI), sitzt derzeit wie auf glühenden Kohlen. Nicht nur wegen fehlender Marktanteile, sondern neuerdings auch wegen der Entschlackungskur nach der Volksabstimmung zum neuen Radio- und Fernsehgesetz (RTVG). Die RSI muss ihre Ausgaben um 5,5 Millionen Franken kürzen. Das sind 2,2 Prozent ihres Budgets. Die Diät ist also milde. Vor allem exportorientierte Privatunternehmen müssen heute viel schmerzlichere Massnahmen ergreifen, um ihre Solidität zu wahren. Auch vom halbstaatlichen Radio und Fernsehen kann ein kleiner Effort verlangt werden.
Verglichen mit der ganzen Schweiz sind die Abstriche in der italienischen Schweiz proportional grösser. Das mag die Folge davon sein, dass das Tessin und Italienischbünden die RTVG-Revision abgelehnt haben. Allerdings hat auch ein grosser Teil der deutschen Schweiz Nein gestimmt. Durchsetzen konnte sie sich nur dank der Romandie.
Die RSI muss sich jetzt der Realität stellen. Stets genoss sie eine privilegierte Sonderrolle und hatte sich nie wirklich an den wirtschaftlichen Gegebenheiten zu messen. Die Privatunternehmen im Tessin mussten sich durch strukturelle und konjunkturelle Turbulenzen kämpfen, sich erneuern und anpassen, oft unter grossen Opfern, während der Dampfer RSI, dessen Monopol nur unmerklich angekratzt wurde, stets im Schutz der Gebühren in ruhigen Gewässern dümpelte. Kritik von aussen an den Kosten, an den Programmen, am lauen Pluralismus oder an manch einseitiger Berichterstattung wurde fast immer mit einer gewissen Süffisanz oder mit Nichtbeachtung abgetan.
Was auch immer die RSI vom Ausgang der Volksabstimmung zum neuen RTVG halten mag: Das Nein aus der italienischen Schweiz zwingt sie zu mehr Bescheidenheit. Vielleicht erkennt man jetzt in den Studios von Comano, dass das Mandat des Service public kein Freibrief für alles und jedes ist.
In der deutschen und französischen Schweiz wachsen die Bedenken darüber, dass sich eine Region mit 350 000 Einwohnern zwei öffentliche Fernsehkanäle, drei Radiosender und ein multimediales Angebot von traumhaftem Ausmass leistet. Im regionalen Verteilschlüssel des Geldes für öffentlichrechtliche Medien widerspiegelt sich die eidgenössische Solidarität, Hauptmerkmal und Eckpfeiler unseres Landes. Das Hinterfragen der Grössenverhältnisse mag wohl die naheliegendste Reaktion auf die Abstimmung sein. Doch wäre es nicht Zeit, das öffentlichrechtliche Mandat in allen Sprachregionen zu überdenken?

Marina Masoni / Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 20 settembre 2015

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Pubblicato il: 25/09/2015